Gesundbleiben in der Matrix – das Sanity Project
Ich bin in die Matrix eingetreten. Damit meine ich nicht das Wort im ursprünglichen Sinn – Materie, Mutter – sondern im Sinne einer künstlichen Wirklichkeit mit eigenen Regeln und einseitigen Narrativen. Die Frage, die mir gestellt wird, die Frage, die ich mir selbst stelle, ist: Wie werde ich seelisch gesund bleiben? Also, wie werde ich mich nicht in der Simulation verlieren und vergessen, was wirklich ist?
Ich spreche von der Welt der Politik, in die ich als Berater für Robert F. Kennedy eingetreten bin. Es gibt vorgegebene Regeln und Grundannahmen für dieses Spiel. Aber, wie Morpheus in dem Film „Matrix“ sagt: „Manche Regeln kann man verbiegen. Manche Regeln kann man brechen.“
Nein, ich spreche nicht von den Regeln der Wahlkampffinanzierung. Ich meine die Grundannahme darüber, wie Veränderungen in der Welt geschehen. Zum Beispiel durch reflexhafte Vorwürfe. Ich meine Grundannahmen darüber, mit wem man sprechen sollte und mit wem nicht, was wahre Macht bedeutet und wo sie zu finden ist. Ich meine die Regeln darüber, was die Menschen nicht hören wollen und was man auf gar keinen Fall aussprechen darf. Ich spreche von der Illusion, dass irgendjemand tatsächlich weiß, wie man irgendeins der Probleme in Ordnung bringen kann, und die daraus folgende Vorstellung, dass eine Führungspersönlichkeit immer einen Plan braucht. Das sind nur einige wenige der Behauptungen, die in der Politik von allen als gegeben angenommen werden. Die Spielregeln. Das ist die Matrix.
Wie also trete ich in die Matrix ein, ohne ihr Geschöpf zu werden? Wie bleibe ich seelisch gesund? Warum glaube ich – wie ich neulich gefragt wurde –, dass ich in irgendeiner Weise anders bin als die ganzen anderen Idealisten, die ihre Seele für die Macht verkauft haben?
Der Erhalt meiner seelischen Gesundheit hängt nicht von meiner eigenen Willenskraft ab. Ich bin kein bisschen anders als die anderen Idealisten. Was mich gesund erhalten wird, ist eine Gemeinschaft, die seelische Gesundheit für mich und mit mir hält. Um die Metaphorik des Films weiter auszudehnen: Ich muss mich manchmal aus der Matrix herausnehmen und zum Mutterschiff zurückkehren. Ich muss in dessen Umarmung ruhen und meine Aufgabe als Teil seiner Mannschaft erfüllen. Ich muss mich in einem Feld von Gesundheit erholen, damit ich mich, wenn ich in der Welt der Politik interagiere, daran erinnere, dass deren Regeln nicht die Wirklichkeit sind und ihre Annahmen nicht die Wahrheit.
Ich spiele nicht den Helden, die einzig vernünftige Person im Wahlkampf-Ökosystem. Weit gefehlt. Tatsächlich glaube ich, dass alle im Wahlkampfteam, ja eigentlich alle in der Politik im Allgemeinen, sich in gewisser Weise wie auf fremdem Terrain fühlen, dass ihr wahres Selbst sich dort nicht völlig ausdrücken kann. Und ich spreche da nicht nur von der Politik, sondern von unserem Umgang mit den meisten Organen unserer Gesellschaft. Sie sind alle durchsetzt von Regeln, die nicht die Wirklichkeit sind, von Annahmen, die nicht die Wahrheit sind, von Reflexen und Gewohnheiten, die die Seele abschürfen, und von Vereinbarungen, die Verrat am Leben üben. Und dennoch sind sie alle Teil der einen Wirklichkeit, des einen lebendigen Planeten. Das Leben durchströmt sie alle.
Heute Morgen wurde mir wieder klar, dass das Programm, das ich nächste Woche starten werde, das “Sanity Project“, für mich genauso viel bedeutet wie für die Menschen, die teilnehmen werden. Eine Oase der seelischen Gesundheit. Denn ich habe das Bedürfnis mich in der Fülle meiner wirklichen Glaubensinhalte auszudrücken. Und manche davon haben bis jetzt noch keine Heimat im Umfeld einer politischen Kampagne.
Als in der Öffentlichkeit stehender Redner erzähle ich den Leuten nicht einfach irgendetwas. In meinen Vorträgen liegt immer eine zarte Bitte. Ich glaube, das gilt auch für die meisten Vier-Augen-Gespräche. Es ist die Bitte um irgendeine Art von Zustimmung. Hinter meinen Erklärungen liegt die Frage: „Stimmt das? Siehst Du das auch so? Ergibt das Sinn? Bin ich verrückt?“ Für mich ist es ein psychisches Bedürfnis zu schreiben und vorzutragen, denn was ich denke, steht so sehr im Gegensatz zur herrschenden Kultur, dass ich Zustimmung finden muss, um weiterhin zu diesen Überzeugungen stehen zu können. Überzeugung ist keine individuelle Anstrengung. Überzeugung ist ein Feld. Seelische Gesundheit ist ein Gruppenprojekt.
Deshalb habe ich mich entschieden das Sanity Project parallel zu meiner Arbeit für Robert F. Kennedy zu betreuen. Ich muss gesund bleiben. Ich muss mich ungehindert ausdrücken können und nicht ständig alles in eine Fremdsprache übersetzen müssen. Ich muss das Echo eines Zustimmungsfelds hören, um mich zu stärken, während ich durch die Matrix navigiere. Ich muss jeden Tag zum Mutterschiff zurückkehren.
Hier ist die Informationsseite für das Sanity Project. Es handelt sich um ein sechsmonatiges Programm, betreut von mir, meiner fantastischen früheren Ehefrau Patsy und einer Gruppe von unterstützenden Teilnehmern. Ich würde nur allzu gern den gesamten Inhalt der Seite hier reinkopieren. An dieser Stelle soll der Untertitel genügen: „Ein Programm zum Erhalt und zur Pflege seelischer Gesundheit in turbulenten Zeiten.“
Übersetzt von Ingrid Suprayan, korrekturgelesen von Vanessa Groß. Die englische Originalfassung ist hier zu finden.
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