Mein neuer Kurzfilm "Der Fall"
Hey, ich darf euch meinen ersten Film vorstellen, den ich selbst geschrieben und inszeniert habe. Er ist nur 3 Minuten lang. “Der Fall”. Unten schreibe ich etwas zu seiner Entstehung und seiner Interpretation.
Credits: Drehbuch und Regie von Charles Eisenstein, mit Unterstützung von Nosara Media. Animationen von Aldous Massie. Nachbearbeitung von Ben Joseph Stewart. Original Soundtrack komponiert, gespielt und produziert von Masha Brodskaya, Brian Forbes und Eirlys. Möge dieser Film dir helfen, in einer verrückten Welt bei Verstand zu bleiben.
Interpretationen
Die metaphysische Parabel „Der Fall“ entspringt dem Unbehagen, das ich während der Corona-Zeit verspürte. Der Wahnsinn rund um die Pandemie hat die alles durchdringende Verkehrtheit der zivilisierten Welt ins Bewusstsein gerückt, die mich oft fragen ließ: „Was zum Teufel mache ich hier? Wer hat mich auf diesem verrückten Planeten ausgesetzt?“
Der Film bietet eine Antwort auf diese Frage.
Es ist dasselbe Gefühl, das heutzutage so viele Menschen davor zurückschrecken lässt, Kinder zu bekommen. Warum Kinder in eine solche Welt setzen?
Der Wahnsinn und das unnötige, höllische Leiden dieser Welt sind so vollkommen selbstverständlich geworden, dass wir es entweder kaum noch merken oder als gegeben hinnehmen, dass die Dinge einfach so sind. Wem es bewusst wird, dem erscheint es so monströs, so unbegreiflich, so unerträglich, dass er nicht verstehen kann, wie andere es so bereitwillig als Normalität akzeptieren. Das führt zu einem tiefen Gefühl von Entfremdung.
Seit ein oder zwei Jahren habe ich mir angewöhnt auf Bemerkungen zur Verkehrtheit oder Verrücktheit der Welt nur noch zu antworten: „Nun ja, so ist das eben im sechsten oder siebten Kreis der Hölle.“ Es könnte um die Beschreibung einer offensichtlichen Grausamkeit gehen, wie die „Baby-Fabriken“ in Nigeria, wo Mädchen im Teenageralter, die meist geistig beeinträchtigt sind, eingesperrt und wiederholt vergewaltigt werden, um Kinder zu bekommen, die dann an Menschenhändler verkauft oder zum Ausschlachten ihrer Organe zerlegt werden. Es könnte auch ein eher stiller Ausdruck der Verkehrtheit sein: Kinder, die von ihren Bildschirmen abhängig sind, die Kaiserschnittrate von 90% an manchen Orten, die Entwertung von Ackerboden und Lebensmitteln, die aufdringliche Hässlichkeit moderner Architektur; die Scheinheiligkeit politischer Reden … die Begrenzung des überschwänglichen Lebens auf die Schubladen der Moderne. So macht man das hier eben. Innerhalb von zwei Generationen ist der Bereich, in dem Kinder frei herumlaufen, von 5 Kilometern auf ein paar Meter geschrumpft. Aber ich kann nicht behaupten, dass das Leben schlimmer sei als in Zeiten der Leibeigenschaft oder der Hexenverbrennung oder des Füßebindens oder der öffentlichen Folter. Es ist einfach schwer zu sagen, dass es heute besser sei. Daher meine resignierten Bemerkungen über den sechsten oder siebten (da kann ich mich nicht entscheiden) Kreis der Hölle.
Während sich der Brennpunkt des Leidens im Laufe der Zeit verschiebt, ändert das doch wenig an seiner Breite oder Intensität. Nichtsdestoweniger hüten viele von uns – auf einer gewissen Ebene alle von uns – insgeheim ein Verständnis dafür, dass es durchaus einen Ausweg aus dem scheinbar ausweglosen menschlichen Zustand des Leidens gibt. Es ist kein Weg der Überwindung oder Transzendierung, sondern einer der Verwandlung oder Transformation – wie hoffnungslos dieser auch scheinen mag. Außerdem hat jede und jeder von uns eine Rolle in dieser Transformation.
Im Film machen sich weise und lichtvolle Menschen von nah und fern auf eine Reise, um ein aufwühlendes Spektakel zu erblicken: einen Abgrund, der sich in der Erde aufgetan hat. Es ist tatsächlich der Höllenschlund. Sie sammeln sich rund um den Abgrund, Hände haltend, und schauen hinunter. Was sie darin sehen, erschüttert sie in einer Art, die alles übersteigt, was sie sich je hätten vorstellen können. Keine ihrer eigenen Erfahrungen hätte auch nur eine Vermutung darüber zugelassen, dass ein solches Ausmaß an Leiden existieren könnte. Sie sehen Szenen, die wir als zu unserer Erde gehörig erkennen. Die Menschen rund um den Abgrund halten sich aus Solidarität an den Händen. Sie schauen sich an. Sie verstehen, was sie tun müssen. Sie nicken wissend, in gemeinsamem Verständnis. Ihre Gesichtszüge, erst erschüttert, schockiert und tränenüberströmt, entspannen sich und zeigen nun ruhige Entschlossenheit. Sie springen – als Einheit – in den Abgrund. Sie sind Engel. Sie bringen Liebe, Frieden und Heilung in den Höllenschlund.
Sie fallen in den Abgrund, lösen die Hände voneinander und geben die wunderschöne Welt auf, die sie verlassen, um in diese hier hineingeboren zu werden.
Diese Geschichte spielt auf das theologische Konzept des Sündenfalls an und interpretiert es neu. Es ist nicht so, dass wir gegen Gott rebelliert haben und deswegen aus dem Himmel verbannt wurden. Unser Hiersein ist keine Strafe, wir büßen nicht unsere karmischen Sünden ab. Es ist auch nicht so, dass das Böse sich das Universum unter den Nagel reißt, eine Welt nach der anderen, auf der Erde und darüber hinaus. Wir haben uns bewusst entschieden, hier zu sein, und es hat einen Zweck, dass wir hier sind.
Die Antwort auf die Frage „Wer zum Teufel hat mich auf diesem verrückten Planeten ausgesetzt?“ lautet: „Ich selber.“
Aber wir sind nicht wirklich hier ausgesetzt. Du spürst vielleicht noch den Nachhall des Händedrucks deiner Kameraden an deinen Händen, bevor ihr gesprungen seid. Du kannst vielleicht vor deinem geistigen Auge durch die Schleier der Hölle hindurch die Lichtgestalten am Rande des Abgrunds versammelt sehen. Die lichtvollen Wesen, die verstehen, welche Aufgabe du auf dich genommen hast, die zuversichtlich sind, dass du sie schaffen wirst, und die auf deine Rückkehr warten.
Die Hölle zu verwandeln ist nicht gleichbedeutend mit dem Ende allen Schmerzes, allen Hungers, aller Gewalt oder allen Leidens, da die Hölle selbst – zumindest in diesem Kreis hier – auch nicht frei von Genuss, Freude und Schönheit ist. Die Hölle und der Himmel gehen ineinander über, um Mittelerde zu erschaffen. Das Geflecht des Lebens ist wundersam und mysteriös, und ein Film wie der meine kann dem nicht gerecht werden. Obwohl er eine Parabel ist, liegt seine Wahrheit nicht in seiner Interpretation. Sie liegt auch im Geflecht von Musik, Bildern und der Geschichte. Wenn du die Bilder übertrieben wörtlich nimmst, dann denkst du vielleicht, dass nur ein paar von uns als Retter die gottverlassenen Massen aus der Hölle erlösen. Dem ist nicht so. Es ist nicht so, dass die gefallenen Engel sich in bestimmten Menschen inkarnieren und in anderen nicht. Sie inkarnieren nicht nur „als“, sondern auch „in“ jedem von uns. In dir ist eine Erinnerung dieses barmherzige Fallen. Danke, dass ihr alle mit mir hier seid.
Der Film hat noch eine weitere Bedeutungsdimension: Die Entscheidung, die der Film repräsentiert, wird nicht nur vor der Lebenszeit getroffen. Es ist eine andauernde Wahl – ich wähle Tag für Tag, Moment für Moment, wie ich mich in der Welt einbringe.
Eine Art, sich in der Welt einzubringen (oder eher, das nicht zu tun) besteht darin, in irgendeiner vorübergehenden Komfortwelt zu bleiben, die man mithilfe von Ablenkungen, Unterhaltung und Sucht aufrechterhalten kann. Aber keine dieser Welten kann von Dauer sein. Sogar die erhabensten Erfahrungen der Verschmelzung mit der Natur oder beim Liebemachen können nicht über ihre entsprechende Zeitspanne hinaus verlängert werden. Es kommt der Augenblick, da werden wir uns bewusst, dass wir am Rand des Abgrunds stehen, und dass zu unseren Füßen, unter uns, nur eine Verlagerung der Aufmerksamkeit entfernt, eine Welt unseren Dienst erbittet. Zu ruhen und die Batterien aufzuladen ist wichtig, um den Dienst gut leisten zu können, aber wenn die Batterien voll sind, werden selbst die Trägsten unter uns von Ruhelosigkeit geplagt werden. Die Wahl, sich dauerhaft von der Welt abwenden zu wollen, um nur im Angenehmen zu bleiben, ist also zwecklos.
Eine zweite Art sich einzubringen besteht darin, es mit einem tonnenschweren Pflichtbewusstsein zu tun, indem man sich mithilfe von Willenskraft dazu durchringt, sich ins Getümmel dieses Lebens zu stürzen, während man die niederen Sphären insgeheim verachtet. Dieser Weg rührt von einem falschen Gefühl der Überlegenheit her und führt auch dazu, sich nur teilweise einzulassen. Man ist halb drin, halb draußen, und nie zu wirklicher Verkörperung bereit.
Der Film zeigt eine dritte Wahlmöglichkeit. Die lichtvollen Wesen werfen sich in den Abgrund – mit allem, was sie sind. Sie tun es in Frieden, in Freude, in Gelassenheit. Sie haben kein Selbstmitleid, als sie springen. Sie lassen sich frohen Mutes auf ihre Mission ein.
Ich gestehe – ich habe den Film nicht für euch gemacht. Ich habe ihn für mich gemacht. Ich selbst bin es, der sich so oft zurückgehalten hat im Leben, der vom Getümmel des Lebens ein bisschen auf Abstand geblieben ist. Ich bin es, der sich oft freudlos, mit zu schwerem Pflichtgefühl, am Leben beteiligt. Ich bin es, der andere Menschen manchmal mit engherzigen Augen ansieht, blind für die Wahrheit, dass sie hier auf derselben Mission sind wie ich.
Da ich mich tiefer ins „Getümmel“ einer politischen Kampagne stürze, hoffe ich, es wie die Menschen im Film zu tun – mit Haut und Haar, aber nicht als Kämpfer, damit ich nicht selbst eine Kreatur der Hölle werde. Ich werde mir diesen Film von Zeit zu Zeit wieder ansehen. Er soll mir dabei helfen, gelassen in dem Wissen zu bleiben, wofür ich und alle anderen wirklich hier sind. Möge dieser Film euch dabei helfen – so wie er mir geholfen hat – mit großherzigen Augen zu sehen und mit großherzigen Worten zu sprechen, die das, was sie sehen, in die Welt manifestieren.
Übersetzt von Christoph Peterseil. Korrekturgelesen von Ingrid Suprayan und Vanessa Groß. Originaltexte hier (Film Ankündigung), hier (Interpretationen) und hier (weitere Interpretationen).
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